Posttraumatische Belastungsstörung verstehen und behandeln
Traumatische Erlebnisse können das Leben tiefgreifend verändern. Während körperliche Wunden oft sichtbar sind und heilen, bleiben seelische Verletzungen häufig verborgen und wirken lange nach. Dr. Andrea Möllering, Chefärztin der Klinik für psychotherapeutische und psychosomatische Medizin am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) in Bielefeld, erklärt im Gespräch die Komplexität von Traumata und posttraumatischer Belastungsstörung.
Das Wichtigste in Kürze
Definition und Merkmale: Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine klar definierte Diagnose, die nach einem oder mehreren traumatischen Ereignissen von außergewöhnlicher Bedrohung auftritt. Die Diagnose erfordert das Vorhandensein von drei zentralen Symptomkomplexen: ungewolltes Wiedererleben (z. B. Flashbacks), Vermeidungsverhalten und Übererregung (ständige Alarmbereitschaft).
Abgrenzung und Komplexität: Nicht jedes Trauma führt zu einer PTBS. Die komplexe PTBS (kPTBS) unterscheidet sich von der einfachen PTBS und entsteht häufig durch langanhaltende oder wiederholte Traumata in der Kindheit.
Behandlung und Heilungschancen: PTBS ist heilbar. Die Therapie ist sehr individuell und hängt von der Art der Traumafolgestörung ab.
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- Was ist PTBS?
- Was ist der Unterschied zwischen PTSD und PTBS?
- Fitmacher Podcast: Trauma und PTBS - Wege aus der Belastung
- Was ist der Unterschied zwischen PTBS und kPTBS?
- Was ist der Unterschied zur Traumafolgestörung?
- Wie verhält sich ein Mensch mit PTBS?
- Wie zeigt sich PTBS bei Kindern?
- Was brauchen Menschen mit PTBS?
- Welche Symptome sind typisch?
- Welche Diagnosekriterien gibt es?
- Wie hoch ist der Grad der Behinderung?
- Welche Arten gibt es?
- Was sind Auslöser/Trigger?
- Ist PTBS eine schwere psychische Erkrankung?
- Wie läuft die Therapie ab?
- Helfen Medikamente bei PTBS?
- Wie lange dauert ein Klinikaufenthalt wegen PTBS?
- Ist man mit PTBS arbeitsfähig?
- Wann gilt PTBS als geheilt?
- Wie viele Soldaten haben PTBS?
- PTBS: Fazit
Was ist PTBS?
Die posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS, ist ein klar definierter medizinischer Begriff. „Es sind ein oder mehrere bestimmte traumatische Ereignisse erforderlich“, erklärt Dr. Möllering. Diese müssen laut Definition ein Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß darstellen, „die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“.
Wichtig ist: Nicht jedes belastende Erlebnis führt automatisch zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Etwa jeder zweite Mensch erlebt im Leben mindestens ein traumatisches Ereignis, doch nur circa 15 Prozent – die Zahlen unterscheiden sich bei Männern und Frauen, bei Frauen ist laut Dr. Möllering eine PTBS häufiger als bei Männern zu beobachten – entwickeln daraus eine PTBS. Die Wahrscheinlichkeit einer Traumafolgestörung hängt stark von der Art der traumatischen Erfahrung ab. So geht man davon aus, dass beispielsweise nach einer Vergewaltigung etwa 50 Prozent eine PTBS entwickeln, während sich bei sogenannten schicksalhaften traumatischen Erfahrungen wie etwa einer Naturkatastrophe mit deutlich niedrigerer Wahrscheinlichkeit eine PTBS entwickelt.
Was ist der Unterschied zwischen PTSD und PTBS?
PTSD und PTBS bezeichnen dieselbe Erkrankung – es handelt sich lediglich um unterschiedliche Abkürzungen. PTBS steht für „Posttraumatische Belastungsstörung“ (Deutsch), während PTSD für „Post-Traumatic Stress Disorder“ (Englisch) steht. In der medizinischen Fachliteratur und in Deutschland wird überwiegend die Abkürzung PTBS verwendet.
Fitmacher Podcast: Trauma und PTBS - Wege aus der Belastung
Mit der Expertin Dr. med. Andrea Möllering vom Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld reden wir über Ursachen, Symptome, Therapie und Wege der Heilung bei PTBS. Für alle, die verstehen, verarbeiten oder einfach für Betroffene da sein wollen.
Was ist der Unterschied zwischen PTBS und kPTBS?
Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (komplexe PTBS oder kPTBS) unterscheidet sich deutlich von der „einfachen“ posttraumatischen Belastungsstörung. „Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung findet man zum Beispiel sehr häufig, wenn ein Kindheitstrauma vorliegt, also etwa in Kindheit und Jugend wiederholte Gewalterfahrungen vorgeherrscht haben“, erläutert Dr. Möllering.
Bei Kindern und bei Erwachsenen, die komplexe PTBS entwickeln, stehen oft andere Probleme im Vordergrund: Störungen im Umgang mit eigenen Affekten, Schwierigkeiten in Beziehungen, irrationale Schuld- und Schamgefühle sowie ein gestörtes Selbsterleben. Die komplexe PTBS-Lebenserwartung kann durch Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Suchterkrankungen beeinträchtigt werden, weshalb eine frühzeitige Behandlung der kPTBS essenziell ist.
Was ist der Unterschied zur Traumafolgestörung?
Während PTBS eine spezifische Diagnose mit klaren Kriterien darstellt, ist Traumafolgestörung ein Überbegriff mit einer weiter gefassten Bedeutung. „Anders gesagt: Aus einer traumatischen Situation kann eine Traumafolgeerkrankung resultieren“, bestätigt Dr. Möllering. „Es können nach traumatischen Erfahrungen aber auch andere Erkrankungen entstehen, zum Beispiel Suchterkrankungen, Depressionen oder Ängste.“
Auch die Spätfolgen können vielfältig sein, dazu zählen körperliche Symptome ohne ausreichende medizinische Erklärung, dissoziative Störungen, bei denen Betroffene Körperteile nicht spüren oder Gedächtnislücken haben, sowie verschiedene Angststörungen. Ein etwaiger Grad der Behinderung wird bei einer Traumafolgestörung individuell beurteilt und hängt vom Schweregrad der Symptomatik ab.
Wie verhält sich ein Mensch mit PTBS?
Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung zeigen charakteristische Verhaltensmuster. „Man rutscht in das alte Erleben rein, genau wie ein Film“, beschreibt Dr. Möllering das sogenannte Wiedererleben. Die Betroffenen haben „einschießendes Wiedererleben, also bestimmte Körperschmerzen, die vielleicht diese frühen traumatischen Erfahrungen repräsentieren, oder nur bestimmte Bilder oder Gerüche.“
Ein zweites zentrales Merkmal ist das Vermeidungsverhalten: „Man sucht Plätze nicht mehr auf, meidet Menschen oder man betäubt sich innerlich, man spaltet die Gefühle ab.“ Das dritte Merkmal ist die Übererregung – Betroffene sind „ständig in einer Art Alarmbereitschaft, angespannt, ängstlich, schreckhaft, aber auch manchmal sehr kämpferisch.“
Im Alltag mit PTBS zeigen sich diese Symptome oft in zwischenmenschlichen Konflikten, körperlichen Beschwerden, Schlafstörungen und dem Rückzug aus sozialen Aktivitäten.
Wie zeigt sich PTBS bei Kindern?
Bei Kindern äußert sich die posttraumatische Belastungsstörung oft anders als bei Erwachsenen. Kinder können Schwierigkeiten haben, ihre Traumaerfahrungen zu verbalisieren, weshalb sie etwa nicht in der Lage sind, Fragen in einem Test bezüglich der Störung beantworten zu können. Stattdessen zeigen sich Symptome häufig durch Verhaltensänderungen, Alpträume, Spielwiederholungen traumatischer Szenen oder Rückschritte in der Entwicklung.
Besonders bei wiederholten Gewalterfahrungen in der Kindheit entwickeln Betroffene oft komplexe PTBS-Symptome, die sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen können. „Gerade in der Kindheit schwer traumatisierte Menschen sagen gar nicht so selten: Ich hatte eine normale Kindheit“, erklärt Dr. Möllering. Das erschwert oft die Diagnose und verzögert die Behandlung.
Was brauchen Menschen mit PTBS?
„Wissen ist ganz wichtig“, betont Dr. Möllering. „Wenn ich weiß, dass ein Dorn in mir steckt, ist es zwar nicht schön, wenn der herausoperiert werden muss, aber ich bin danach wieder handlungsfähig.“ Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung brauchen zunächst Verständnis für ihre Symptomatik und professionelle Hilfe bei der Diagnose.
Soziale Unterstützung ist dabei der wichtigste Schutzfaktor nach traumatischen Ereignissen. „Ganz wichtig ist, dass diese Menschen sozial gut unterstützt werden“, erklärt die Expertin. Darüber hinaus können Betroffene selbst einiges tun: dem Gehirn positiven Input geben, Selbstwirksamkeit stärken, für den Körper etwas Gutes tun und sich nicht zurückziehen. Bei Verdacht auf PTBS existiert ein hilfreicher Test bestehend aus drei Fragen, die man sich ehrlich beantworten muss:
- Erlebe ich ungewolltes Wiedererleben?
- Vermeide ich bestimmte Situationen?
- Bin ich ungewöhnlich schreckhaft?
Welche Symptome sind typisch?
Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind vielfältig. Dr. Möllering nennt drei zentrale Symptomkomplexe, die alle vorliegen müssen für die Diagnose PTBS. Diese Symptome sind eine Orientierung für einen ersten Selbsttest, ersetzen aber keine professionelle Einschätzung und Behandlung:
- Wiedererleben: Flashbacks, bei denen Betroffene nicht an die Vergangenheit erinnert werden, sondern sie tatsächlich erleben. „Bei einem Flashback sind wir emotional wieder in der Vergangenheit“, verdeutlicht Dr. Möllering. Dazu gehöre auch, körperliche Symptome wie Schmerzen als traumatische Erfahrungen erneut zu fühlen.
- Vermeidungsverhalten: Betroffene meiden Orte, Menschen oder Situationen, die an das Trauma erinnern.
- Übererregung: Ständige Alarmbereitschaft, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten prägen den Alltag. Diese chronische PTBS kann sich zu einer langanhaltenden Belastung entwickeln.
Dazu können körperliche Symptome auftreten, die keine ausreichende medizinische Erklärung haben, sowie Depressionen, Ängste, Suchterkrankungen oder dissoziative Störungen.
Die mentalis Nachsorge
Die Suche nach einem passenden Therapieplatz kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Mit der mentalis Nachsorge unterstützt die Heimat Krankenkasse ihre Versicherten direkt im Anschluss an den Klinikaufenthalt. So können Sie ohne Wartezeit weiter an Ihrer psychischen Gesundheit arbeiten und erhalten bei Bedarf zusätzlich Hilfe bei der Vermittlung einer ambulanten Therapie.
Welche Diagnosekriterien gibt es?
Die Diagnosekriterien für PTBS sind klar definiert. Zunächst muss ein traumatisches Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung vorliegen. Dann müssen alle drei Symptomkomplexe – Wiedererleben, Vermeidung und Übererregung – vorhanden sein. „Erst dann kann man von einer posttraumatischen Belastungsstörung sprechen“, betont Dr. Möllering.
Für die Diagnose unterstützen verschiedene Checklisten und Fragebögen das Fachpersonal. Wichtig ist auch die Erfassung von Vorerfahrungen, da diese die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflussen können. Bei der komplexen PTBS kommen zusätzliche Kriterien hinzu: Störungen der Affektregulation, negatives Selbstkonzept und Beziehungsstörungen bis hin zum Umstand, dass die Person beziehungsunfähig ist.
Wie hoch ist der Grad der Behinderung?
Der Grad der Behinderung bei PTBS wird individuell festgestellt und hängt vom Schweregrad und den Auswirkungen im Alltag ab. Die Beurteilung, ob zum Beispiel eine Schwerbehinderung vorliegt, erfolgt durch medizinische Gutachten, die das Ausmaß der Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen bewerten – von der Arbeitsfähigkeit über soziale Beziehungen bis zur Selbstversorgung.
Oberstes Ziel ist es laut Dr. Möllering jedoch, dass Betroffene lernen, dass sie nicht mehr Opfer sein müssen, sondern die Verletzungen der Vergangenheit in sich versorgen können. Oftmals glauben Betroffene, dass sie dies bereits täten, gleichzeitig suchen sie jedoch die Bestätigung für das Erlittene im Außen wie etwa in einem Grad der Behinderung oder einer frühzeitigen Berentung. Dadurch wird, so Dr. Möllering, jedoch in der Regel die innere Verletzung nicht versorgt und die Problematik meist auch nicht aufgelöst. Es kann sogar so sein, dass Betroffene dadurch fortwährend in einer Art „Opferhaltung“ bleiben und gar nicht merken, dass sie jetzt direkten Einfluss auf die Gestaltung ihres eigenen Lebens haben.
Dr. Möllering weist darauf hin, dass manche Menschen so unbewusst in ihrer Krankheit verharren und es ihnen damit im Regelfall letztendlich nicht gut geht. In seltenen Fällen haben Mediziner und Therapeuten sogar mit einer vorgetäuschten PTBS zu tun – dann ist eine sorgfältige Differenzialdiagnose wichtig.
Welche Arten gibt es?
Neben der „klassischen“ posttraumatischen Belastungsstörung nach einem umschriebenen Ereignis gibt es die komplexe PTBS nach wiederholten oder langanhaltenden Traumata, besonders in der Kindheit – dabei können besonders komplexe PTBS-Spätfolgen das gesamte Leben beeinträchtigen.
Unterschieden wird auch nach Ursachen: PTBS durch Naturkatastrophen oder Unfälle versus PTBS durch zwischenmenschliche Gewalt. Letztere, besonders bei sexualisierter Gewalt oder Missbrauch, führt häufiger zu schweren und komplexen Verläufen. Die Sexualität bei PTBS kann erheblich beeinträchtigt sein, insbesondere nach sexueller Gewalt.
Zudem gibt es die verzögert auftretende PTBS, bei der Symptome erst Jahre nach dem Trauma manifest werden. Ein Zusammenhang von PTBS und Arbeitsfähigkeit hängt stark vom individuellen Krankheitsverlauf ab. Manche Menschen mit PTBS sind unter Umständen sehr erfolgreich in ihrer Arbeit oder benötigen lediglich punktuell Unterstützung, während andere durch die Symptome zeitweise oder dauerhaft arbeitsunfähig oder sogar erwerbsunfähig sind.
Was sind Auslöser/Trigger?
Trigger sind Auslöser, die Betroffene zurück in traumatische Erlebnisse katapultieren können. „Unsere Alarmanlage ist derart scharf gestellt, dass sie auf kleine Hinweise so reagiert, als wäre die Situation wieder vorhanden“, erklärt Dr. Möllering anhand eines persönlichen Beispiels: Nach einem Schwelbrand löste Monate später ein leichter Rußgeruch bei ihr einen Flashback aus.
Trigger können alle Sinneswahrnehmungen sein: Gerüche, Geräusche, visuelle Reize, Berührungen oder auch bestimmte Situationen wie Jahrestage. Bei einem Verkehrsunfall können ähnliche Verkehrssituationen, Wetterbedingungen oder sogar nur das Einsteigen ins Auto zum Trigger werden. Die Traumareaktivierung durch solche Trigger – also das erneute Erleben der Situation wie die traumatische Situation von damals – ist eine reale Gefahr, weshalb das Erkennen und der Umgang mit persönlichen Triggern Teil der Therapie ist. Ziel ist es, einen Umgang zu finden.
Ist PTBS eine schwere psychische Erkrankung?
Ja, PTBS kann – vor allem unbehandelt – eine schwere psychische Erkrankung sein, die das Leben massiv einschränkt. Die Schwere variiert jedoch stark. Die PTBS kann von milden Formen mit überschaubaren Einschränkungen bis zu schwersten Verläufen reichen, bei denen Betroffene kaum noch arbeitsfähig sind oder Selbstmordgedanken entwickeln. Die komplexe PTBS bei Frauen und Kindern nach jahrelanger Gewalt gilt als besonders schwerwiegend. Ohne Behandlung droht eine Chronifizierung mit zunehmenden Spätfolgen.
„Wenn sich Erkrankungen chronifizieren, wird es immer schwieriger“, warnt Dr. Möllering. Begleiterkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen oder Panikstörungen verschärfen die Situation zusätzlich. „Umso wichtiger ist zu betonen, dass PTBS keine unheilbaren Krankheiten sind – abhängig von der Art, dem zeitlichen Verlauf und weiteren Umständen heilen PTBS-Erkrankungen nicht selten auch ohne fachliche Hilfe aus, in vielen Fällen sind sie ansonsten durch Behandlung und Therapie heilbar.“
Wie läuft die Therapie ab?
Die Therapie beginnt meist mit einem ausführlichen Erstgespräch. „Ich stelle sehr häufig die Frage: Was führt Sie zu mir? Erzählen Sie mal“, berichtet Dr. Möllering. „Ich frage aber immer auch sehr schnell: Was hat Ihnen denn geholfen?“ Diese ressourcenorientierte Frage hilft, nicht nur in die Belastung zu rutschen.
Der Ablauf variiert je nach Schweregrad: Bei akuten Belastungssymptomen nach traumatischen Ereignissen werden Betroffene oft zunächst vier Wochen beobachtet, da sich viele Symptome durch Selbstheilungskräfte bessern. Bei manifester PTBS folgt eine umfassende Diagnostik, dann je nach Fall eine ambulante, tagesklinische oder stationäre Behandlung. Die Behandlung kann dabei von wenigen Gesprächen bis zu jahrelangen Verläufen reichen.
Helfen Medikamente bei PTBS?
Die Rolle von Medikamenten bei der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung ist differenziert zu betrachten. „Es gibt kein Medikament, das eine posttraumatische Belastungsstörung und letztendlich auch Traumafolgeerkrankungen ursächlich heilen würde“, stellt Dr. Möllering klar. Dennoch können Medikamente in bestimmten Situationen eine wichtige unterstützende Rolle spielen.
Besonders wenn die Traumafolgestörung zu Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen geführt hat, können entsprechende Medikamente hilfreich sein. Sie versetzen das Gehirn „entweder in einen Zustand, um therapieoffener zu sein oder aber auch um sich so zu beruhigen, dass Betroffene in ihrem Leben irgendwie wieder klarkommen“, erklärt die Expertin. Die Entscheidung ist individuell: „Man muss abwägen: Habe ich eine Problematik, bei der Medikamente jetzt gar nicht mehr helfen, sondern sie vielleicht durch die Nebenwirkungen eher schlimmer machen?“
Vor Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen warnt Dr. Möllering jedoch eindringlich: Diese „verhindern eigentlich immer die Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen“. Die früher übliche Praxis, nach Akutereignissen zur Beruhigung solche Medikamente zu geben, sei „aus traumatherapeutischer Sicht wirklich schädlich“. Derartige Medikamente sollten nur noch in schweren Krisen mit Selbstmordgefährdung eingesetzt werden, nicht aber zur Selbstmedikation.
Wie lange dauert ein Klinikaufenthalt wegen PTBS?
Die Notwendigkeit und Dauer eines Klinikaufenthaltes ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei leichteren Verläufen reichen oft wenige Wochen, bei schwereren Formen – etwa bei komplexer PTBS – können auch mehrere Monate in einer Klinik angebracht sein. Wichtig ist es jedoch, dass während dieser Behandlungen immer die Alltagsfähigkeit im Fokus bleibt. Sollte diese durch die stationäre Behandlung nachlassen, ist in der Regel keine Vertiefung und Verlängerung der stationären Behandlung sinnvoll, sondern im Gegenteil eher eine Begrenzung.
Ist man mit PTBS arbeitsfähig?
Die Arbeitsfähigkeit bei PTBS hängt ebenfalls stark vom individuellen Fall ab. Viele Betroffene haben neben der PTBS-Symptomatik unter Umständen eine hoch funktionale Seite, die sich auch in der Arbeitsfähigkeit zeigen kann. Nicht selten, so erklärt Dr. Möllering, komme die Symptomatik dann vor allem nach der Arbeit oder am Wochenende stark durch: „Dann geht gar nichts mehr.“ Andere hingegen können mit entsprechender Behandlung und Unterstützung arbeiten, eventuell mit Anpassungen am Arbeitsplatz. Andere sind durch die Symptome zeitweise oder dauerhaft arbeitsunfähig. „Wenn ich merke, dass in meinem Arbeitsalltag Dinge, die zuvor gut gingen, nicht mehr funktionieren, kann das ein Warnsignal sein“, erklärt Dr. Möllering.
Besonders problematisch wird es, wenn Vermeidungsverhalten oder Übererregung die berufliche Leistung massiv beeinträchtigen. Bei komplexer PTBS können Konflikte am Arbeitsplatz zunehmen, da Betroffene „sich ständig mit Kollegen oder Vorgesetzten anlegen, da sie selbst ihre Emotionen nicht mehr gut regulieren können“.
Auch ein Rückfall nach zunächst erfolgreicher Therapie ist keine Seltenheit – dann ist eine Wiederaufnahme der Therapie sinnvoll. In Fällen einer anhaltenden Arbeitsunfähigkeit kann eine Frührente oder die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente notwendig werden, wobei dieser Punkt laut der erfahrenen Medizinerin nicht selten problematisch ist. Denn mit einer Berentung seien des Öfteren auch sogenannte unbewusste Wünsche nach Wiedergutmachung oder Versorgung durch das Außen verbunden, was selten zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes führe. Vielmehr wären Betroffene dann häufig noch mehr mit der eigenen Vergangenheit beschäftigt und hätten durch teils fehlende soziale Kontakte noch weniger Möglichkeiten zu verstehen, dass die traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit liegen.
Wann gilt PTBS als geheilt?
Als geheilt gilt die Erkrankung, wenn die Symptome dauerhaft verschwunden sind und Betroffene ihr Leben ohne erhebliche Einschränkungen führen können. Dies bedeutet nicht, dass traumatische Erinnerungen völlig verschwinden, aber sie verlieren ihre belastende Intensität.
„Eine umschriebene Traumafolgeerkrankung nach einem einmaligen Ereignis hat gute Heilungschancen. Bei komplexer PTBS ist der Weg länger, aber auch hier sind deutliche Verbesserungen und natürlich auch „Heilungen“ möglich“, betont Dr. Möllering.
Die Prognose für Menschen mit PTBS ist individuell sehr unterschiedlich. Faktoren wie soziale Unterstützung, rechtzeitige Behandlung, Schwere des Traumas und persönliche Resilienz beeinflussen den Verlauf. „Die Spannbreite ist einfach sehr, sehr breit“, fasst Dr. Möllering zusammen – sie reiche von schneller Genesung bis zu jahrelangen Verläufen, bei denen in seltenen Fällen nur eine palliative Begleitung möglich ist, um Lebensqualität zu erhalten.
Wie viele Soldaten haben PTBS?
Viele Menschen denken bei PTBS an Soldaten, unter anderem aufgrund von Medienberichten und Filmen. Tatsächlich zeigen Studien, dass Einsatzsoldaten ein deutlich erhöhtes Risiko für PTBS haben. Genaue Zahlen für deutsche Soldaten variieren dabei stark und sind schwer zu erheben. Fest steht: Besonders Auslandseinsätze mit Kampfhandlungen, Verlust von Kameraden oder das Erleben extremer Gewalt können zu Traumafolgestörungen führen.
Das Soldatentrauma unterscheidet sich teilweise vom zivilen Trauma durch den spezifischen Kontext militärischer Einsätze. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren ihre Unterstützungsangebote deutlich ausgebaut, da erkannt wurde, dass viele Soldaten nach Einsätzen psychologische Hilfe benötigen. Der sogenannte Hyperarousal-Zustand, also eine ständige Übererregung, ist bei Soldaten besonders ausgeprägt, da die Wachsamkeit in Einsätzen überlebenswichtig war.
PTBS: Fazit
Generell gilt: Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine komplexe Erkrankung mit vielfältigen Ursachen, Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten. Wichtig ist das frühzeitige Erkennen der Symptome und das Aufsuchen professioneller Hilfe. Mit der richtigen diagnostischen Einschätzung, Beratung, Therapie und Unterstützung ist PTBS heilbar – der Weg dorthin erfordert jedoch Mut, Geduld und professionelle Begleitung.
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