Was steckt hinter den Augenerkrankungen grauer und grüner Star?
Grauer und grüner Star gehören zu den häufigsten Augenerkrankungen und können, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden, zu ernsthaften Sehstörungen oder sogar Erblindung führen. In diesem Interview mit Prof. Dr. med. Ricarda Schumann klären wir, was hinter diesen beiden Erkrankungen steckt, wie sie sich unterscheiden und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, um die Sehkraft zu erhalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Unterschiede zwischen grauem und grünem Star: Der graue Star (Katarakt) beschreibt die Eintrübung der Augenlinse, die zu unscharfem Sehen und Blendempfindlichkeit führt, während der grüne Star (Glaukom) eine schleichende Erkrankung des Sehnervs ist, die zu Gesichtsfeldausfällen führen kann, ohne dass Symptome spürbar sind.
- Ursachen und Risikofaktoren: Der graue Star entsteht meist altersbedingt, aber auch durch Faktoren wie Augenverletzungen oder bestimmte Krankheiten. Der grüne Star tritt häufiger ab 60 Jahren auf und wird oft durch einen erhöhten Augeninnendruck verursacht, wobei auch genetische Veranlagung und andere Augenerkrankungen eine Rolle spielen können.
- Diagnose und Vorsorge: Beide Erkrankungen bleiben oft unbemerkt, bis sie fortgeschritten sind. Daher sind regelmäßige Augenarztbesuche ab dem 40. Lebensjahr wichtig, um frühzeitig eine Diagnose zu stellen und geeignete Behandlungsmöglichkeiten einzuleiten.
- Behandlungsmöglichkeiten: Der graue Star wird durch eine Linsenoperation behandelt, während der grüne Star mit Medikamenten (z. B. Augentropfen), Laserbehandlungen oder Operationen therapiert wird, um den Augeninnendruck zu senken und Schäden zu verhindern.
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- Worin unterscheiden sich der graue und grüne Star?
- Wie kommen die beiden Augenerkrankungen auf ihre Namen?
- Was passiert, wenn der graue oder grüne Star nicht rechtzeitig behandelt wird?
- Warum entwickelt sich der eine oder andere Star überhaupt?
- Wer ist besonders von diesen Augenerkrankungen betroffen? Sind sie vererbbar?
- Welche Risikofaktoren gibt es und kann ich meine Augen davor schützen?
- Machen sich konkrete Symptome bemerkbar oder hilft nur der regelmäßige Besuch beim Augenarzt?
- Einer der beiden Stars wurde medizinisch diagnostiziert: was jetzt? Welche therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten stehen mir zur Verfügung?
- Welche Rolle spielt die Nachsorge im Anschluss an eine erfolgreiche Behandlung?
Worin unterscheiden sich der graue und grüne Star?
Obwohl die Bezeichnungen „Grauer Star“ und „Grüner Star“ sehr dicht beieinander liegen, beschreiben sie jeweils zwei Gruppen von Augenerkrankungen, die sich grundlegend voneinander unterscheiden.
Dabei bezeichnet der graue Star (= Katarakt) eine Eintrübung der vormals glasklaren Augenlinse. Durch eine Verdichtung des Linsenmaterials und einen Elastizitätsverlust des Linsengewebes wird das in das Auge einfallende Licht reduziert und unregelmäßig gebrochen.
So entsteht ein unscharfes Bild mit Kontrastverlust. Die Folge sind verschwommenes Sehen, zunehmende Blendempfindlichkeit und manchmal auch eine veränderte Farbwahrnehmung oder Doppeltsehen.
Im Gegensatz dazu ist der grüne Star (= Glaukom) eine heimtückische und chronische Augenerkrankung. Heimtückisch, weil er in der Regel ohne merkliche Symptome beginnt, und chronisch, weil der grüne Star nicht heilbar ist.
Es handelt sich dabei um eine Erkrankung des Sehnervs, bei dem die Nervenfasern des Auges irreversibel geschädigt werden. Infolgedessen entstehen charakteristische Ausfälle im Gesichtsfeld, die von den Betroffenen meist sehr spät als Sehverlust bemerkt werden.
Wie kommen die beiden Augenerkrankungen auf ihre Namen?
Die Namensgebung der medizinischen Bezeichnungen Katarakt und Glaukom leitet sich jeweils aus dem Altgriechischen ab. Katarakt bedeutet „Wasserfall“ und bezieht sich auf die leicht erkennbare Weißfärbung der Pupille bei fortgeschrittener Linsentrübung. Diese erinnert an die Gischt eines Wasserfalls.
Glaukom bedeutet „grau-bläulich“ oder „farbig wie das Meer“ und bezieht sich auf die blau-graue Verfärbung der Regenbogenhaut, die früher bei fortgeschrittenem Glaukom oftmals beobachtet werden konnte.
Der Begriff „Star“ hat nichts mit dem Singvogel zu tun. Er ist vielmehr auf den starren Blick zurückzuführen, der bei unbehandelten und daher erblindeten Patienten mit grauem und grünem Star zu beobachten ist.
Was passiert, wenn der graue oder grüne Star nicht rechtzeitig behandelt wird?
Wenn er nicht rechtzeitig behandelt wird, dann kann sowohl der graue als auch der grüne Star zu bleibendem Sehverlust oder Erblindung führen. In Deutschland und in anderen Industrienationen sind die Endstadien von grauem und grünem Star selten, da die medizinische Versorgung flächendeckend und auf hohem Niveau gewährleistet wird.
Augenärztliche Vorsorgeuntersuchungen spielen dabei in der Früherkennung eine wichtige Rolle und sind unabdingbar, um bleibenden Funktionsverlust zu vermeiden.
Warum entwickelt sich der eine oder andere Star überhaupt?
Sowohl der graue als auch der grüne Star können angeboren oder erworben sein. Die Einflussfaktoren sind vielfältig und umfassen genetische Veranlagung, Augenfehlbildungen, Augenverletzungen und -operationen, Medikamentenwirkungen sowie die Assoziation zu anderen Augenerkrankungen wie der Myopie (Kurzsichtigkeit) oder zu anderen Erkrankungen wie den Rheumakrankheiten oder Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus).
Die häufigste Form des grauen Stars ist jedoch die altersbedingte Ausprägung der Linsentrübung, die spätestens ab dem 60. Lebensjahr bei jedem vorkommen kann. Dieser sogenannte Altersstar ist im Grunde physiologisch und beruht auf einer Verdichtung der Linsenzellen und einer Strukturveränderung der Linseneiweißverbindungen. Auf diese Weise verliert die Linse ihre Elastizität und wird zunehmend trüb.
Die Linsentrübung entwickelt sich meist über Jahre und Jahrzehnte, also sehr langsam. Beim grünen Star ist die Altersverteilung der Betroffenen recht ähnlich. Er tritt ab dem 60. Lebensjahr deutlich häufiger auf. Die häufigste Form des grünen Stars ist das Offenwinkelglaukom: Dabei liegt in Relation zur Durchblutung am Sehnerv ein individuell zu hoher Augeninnendruck vor. Dieses Missverhältnis verursacht dabei eine irreversible Schädigung der im Sehnerv gebündelten Nervenfasern.
Wer ist besonders von diesen Augenerkrankungen betroffen? Sind sie vererbbar?
Neben den über 60-Jährigen leiden besonders die Menschen an grauem oder grünem Star, deren Angehörige 1. Grades ebenfalls davon betroffen waren. Auch wenn wir heute darüber noch sehr wenig wissen, spielt die genetische Veranlagung eine wichtige Rolle im Auftreten dieser Augenerkrankungen.
Zusätzlich sind besonders häufig Menschen betroffen, die bereits andere Augenerkrankungen haben oder an den Augen bereits operiert werden mussten. Zudem spielen die allgemein-internistische Gesundheit und in diesem Zusammenhang auch das Immunsystem eine wichtige Rolle bei der Ausprägung dieser Erkrankungen.
Welche Risikofaktoren gibt es und kann ich meine Augen davor schützen?
Hohe Kurzsichtigkeit (Myopie, mehr als -6 Dioptrien) ist ein bekannter Faktor, der die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von grauem und grünem Star signifikant erhöht. Aktiv davor schützen kann man seine Augen nur bedingt.
Andere nennenswerte Risikofaktoren wie Rauchen, Vitaminmangel, Medikamenteneinfluss und Durchblutungsstörungen sind in der Regel sehr viel leichter zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere für die Risikobewertung des grünen Stars.
Machen sich konkrete Symptome bemerkbar oder hilft nur der regelmäßige Besuch beim Augenarzt?
Aufgrund des schleichenden Krankheitsverlaufs ist für den Einzelnen nicht sicher festzustellen, ob er selbst vom grauen oder grünen Star betroffen ist. Insbesondere der grüne Star bleibt meist so lange unbemerkt, bis mehr als ein Drittel der Nervenfasern irreversibel geschädigt sind und die Gesichtsfelddefekte den Alltag beeinträchtigen.
Selbst dann sind die Symptome nicht spezifisch, das heißt: Die subjektiven Beschwerden könnten auch bei anderen Augenerkrankungen auftreten. Das macht die selbständige Zuordnung der Beschwerden schwierig. Deshalb hilft bei grauem und grünem Star nur der Weg zum Augenarzt.
Ich empfehle jedem ab dem 40. Lebensjahr alle zwei Jahre eine augenärztliche Vorsorgeuntersuchung. Dabei führt der Augenarzt eine Risikobewertung durch und klärt, welcher Abstand zwischen den Routinekontrollen im individuellen Fall die größte Sicherheit bieten kann.
Heute sind die diagnostischen Möglichkeiten aufgrund der technischen Fortschritte umfassender und sensitiver als noch vor wenigen Jahren, sodass schon sehr frühe Stadien von grauem oder grünem Star erkannt werden können, noch bevor ein merklicher Funktionsverlust eintritt.
Einer der beiden Stars wurde medizinisch diagnostiziert: was jetzt? Welche therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten stehen mir zur Verfügung?
Bei grauem Star ist die einzige wirksame Behandlungsoption die Linsenoperation (= Kataraktoperation). Eine bereits vorhandene Linsentrübung kann nicht durch Medikamente gebessert werden und bildet sich auch nicht von allein zurück. Vielmehr gilt zu klären, ob eine funktionelle Beeinträchtigung vorliegt und ob die subjektiven Beschwerden so groß sind, dass wichtige Tätigkeiten im Alltag eingeschränkt werden.
Bei grünem Star sind die therapeutischen Optionen vielfältig, aber oftmals auch dringlicher. Alle Behandlungsoptionen verfolgen dabei das Ziel, den Augeninnendruck nachhaltig zu senken und gleichförmig auf niedrigerem Niveau zu halten.
Neben verschiedenen Augentropfen gehören Laserbehandlungen und operative Maßnahmen zum Portfolio des Augenarztes. Ob konservative oder operative Therapiemöglichkeiten oder aber die Kombination aus beidem in der individuellen Situation zum Einsatz kommen, hängt nicht zuletzt vom Stadium der Erkrankung, der Verträglichkeit von Augentropfen und der Möglichkeit zur regelmäßigen Anwendung der empfohlenen Tropfentherapie ab.
Minimalinvasive Operationen werden oftmals dann empfohlen, wenn eine rein konservative Therapie den Augendruck nicht ausreichend reguliert. Zusätzlich werden insbesondere beim grünen Star Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt, denen eine protektive Wirkung auf die Nervenfaserschicht der Netzhaut und den Sehnerv zugeschrieben werden.
Darüber hinaus wurden alternative Heilmethoden wie die Homöopathie oder die Akupunktur bei grauem oder grünem Star vorgeschlagen. Bisher konnte jedoch kein sicherer Nachweis erbracht werden, dass diese Methoden einen nachweislichen Effekt oder Mehrwert für das therapeutische Vorgehen besitzen.
Welche Rolle spielt die Nachsorge im Anschluss an eine erfolgreiche Behandlung?
Eine sorgfältige Nachsorge spielt sowohl bei grauem als auch bei grünem Star eine wichtige Rolle für den Behandlungserfolg. Während aber bei grauem Star in der Regel nach wenigen Kontrollterminen wieder das individuelle Routineintervall zwischen den augenärztlichen Untersuchungen aufgenommen werden kann, sind bei grünem Star oftmals für einige Zeit sehr engmaschige Nachkontrollen nach Therapieanpassung oder Operation notwendig.
Letztlich muss immer daran gedacht werden, dass der grüne Star im Gegensatz zum grauen Star eine chronische Erkrankung darstellt, die auch langfristig ein individuelles Vorgehen in Diagnostik und Therapie erfordert.

Von Prof. Dr. med. Ricarda Schumann
Prof. Dr. med. Ricarda Schumann ist Fachärztin für Augenheilkunde und Professorin der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Spezialgebiete sind die Retinologie und die Augenchirurgie. Derzeit etabliert sie ein Zentrum für Augen- und Gefäßmedizin, das den Anspruch an individuelle Medizin und Vorsorge bei Augenerkrankungen in den Vordergrund rückt und wichtige Aspekte wie die Ernährungsmedizin in die Augenheilkunde integriert.
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