Genetischer Krebs: Ist Krebs in der Familie vererbbar?
Krebs ist gefährlich. Krebs ist eine Volkskrankheit. Aber ist Krebs auch vererbbar? Unter den weltweit 20 Millionen Krebsdiagnosen, die allein im Jahr 2022 gestellt worden sind, gab es viele Menschen mit einem erhöhten Krebsrisiko. Was die Ursachen dafür sind, ob Krebs erblich ist und welche Rolle die Familie spielt, erklärt Medizinerin Univ.-Prof. Dr. Rita Schmutzler in diesem Artikel.
Das Wichtigste in Kürze
Erblichkeit von Krebs: Krebs ist eine komplexe Erkrankung, die durch Lebensstil, Umweltfaktoren und genetische Veranlagung beeinflusst wird. Etwa 5–10 Prozent aller Krebsfälle sind auf vererbbare genetische Mutationen zurückzuführen.
Besonders häufig vererbte Krebsarten: Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs sind die häufigsten Krebsarten mit genetischer Veranlagung. Bei etwa einem Drittel der Fälle dieser Krebsarten spielt eine familiäre Disposition eine Rolle.
Risikoeinschätzung und Früherkennung: Eine familiäre Häufung von Krebsfällen oder eine Krebserkrankung in jungen Jahren können auf eine genetische Veranlagung hindeuten. Eine genetische Untersuchung kann helfen, das persönliche Risiko besser einzuschätzen.
Nutzen und Grenzen der Gendiagnostik: Ein Gentest kann Sicherheit geben, birgt aber auch psychische Belastungen. Bei nachgewiesener Veranlagung ermöglichen gezielte Vorsorgemaßnahmen eine frühzeitige Erkennung und Risikominimierung.
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- Ist Krebs vererbbar?
- Fitmacher Podcast: Familiäre Krebsrisiken - Was Angehörige wissen sollten
- Welcher Krebs kann vererbt werden?
- Wie wahrscheinlich ist es, an Krebs zu erkranken?
- In welchem Alter tritt Krebs am häufigsten auf?
- Genetischer Krebs: Wie häufig kommt er vor?
- Wird immer dieselbe Krebsart vererbt?
- Erkranken Betroffene auf jeden Fall? Können auch Generationen übersprungen werden?
- Häufige Krebserkrankungen in der Familie: Liegt eine genetische Veranlagung vor?
- Wie gehe ich bei Verdacht auf genetischen Krebs vor? Welche Untersuchungen gibt es? An wen kann ich mich wenden?
- Welche Leistungen bietet die Heimat Krankenkasse an?
- Welche Vor- und Nachteile hat die Gendiagnostik, die von der Heimat Krankenkasse abgedeckt wird?
Ist Krebs vererbbar?
Krebs ist eine komplexe Erkrankung, die durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. „Die üblichen Verdächtigen sind mangelnder Sport, schlechte Ernährung, hohes Körpergewicht, Rauchen und Alkoholkonsum“, betont Dr. Rita Schmutzler. Doch auch der sogenannte genetisch bedingte Krebs kann ursächlich sein, denn in manchen Fällen ist Krebs vererbbar. Und zwar dann, wenn bestimmte krebsfördernde genetische Veränderungen – Mutationen genannt – im Erbgut innerhalb einer Familie weitergegeben werden. „Das kann passieren, muss es aber nicht.“ Zwar besteht grundsätzlich ein erhöhtes Krebsrisiko durch Vererbung – das bedeutet aber nicht zwangsläufig, deswegen auch wirklich an Krebs zu erkranken.
Fitmacher Podcast: Familiäre Krebsrisiken - Was Angehörige wissen sollten
Die Diagnose Krebs in der Familie ist zweifellos erschütternd. Doch welche Konsequenzen hat die Diagnose auch für mich, als Familienmitglied? Sollte auch ich mir Sorgen um mein eigenes Krebsrisiko machen? Welche Wahrscheinlichkeit besteht tatsächlich und welche Maßnahmen können ergriffen werden? Welche Krebsarten werden oft vererbt, und wie kann man feststellen, ob man selbst betroffen ist? Diese und weitere Fragen besprechen wir in dieser Folge mit Frau Prof. Dr. Schmutzler, der Direktorin des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs an der Uniklinik Köln.
Welcher Krebs kann vererbt werden?
Sind alle Krebsarten von Lungenkrebs, Hautkrebs, Knochenkrebs, Blutkrebs, Gallenkrebs, Hodenkrebs bis hin zu Bauchspeicheldrüsenkrebs vererbbar? „Prinzipiell kann jede Krebsart auf Erblichkeit zurückzuführen sein“, sagt Dr. Rita Schmutzler. Dazu zählen insbesondere die drei häufigsten Krebserkrankungen – Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs –, die allesamt aufgrund familiärer Disposition, also einer erblichen Veranlagung, entstehen können. Dies ist bei rund einem Drittel aller Fälle dieser Krebsarten der Fall.
Wie wahrscheinlich ist es, an Krebs zu erkranken?
„Wenn es viele Fälle in der Familie gibt, erhöht sich damit auch das eigene Krebsrisiko“, so Dr. Rita Schmutzler. „Wenn der Vater, Onkel und Bruder Prostatakrebs haben, ist das häufig kein Zufall mehr – dann handelt es sich wahrscheinlich um eine genetische Disposition für Krebs, dann ist der Krebs erblich.“ Hat man eine solche Disposition ererbt, dann ist das Erkrankungsrisiko deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Neben der familiären Disposition sind allerdings Umweltfaktoren, Lebensstil und Alter die häufigsten Gründe für eine Erkrankung.
In welchem Alter tritt Krebs am häufigsten auf?
Das Durchschnittsalter einer Krebsdiagnose liegt bei etwa 65 bis 70 Jahren. „Krebs ist also prinzipiell eine Erkrankung im höheren Alter – je älter ich werde, desto höher wird auch das Risiko einer Krebsdiagnose“, so die Medizinerin. Es gibt aber auch Krebsarten, die früher auftreten, insbesondere wenn eine genetische Veranlagung vorliegt. „Die überwiegende Zahl der erblich bedingten Krebserkrankungen sind Erkrankungen im mittleren Erwachsenenalter und können ab dem 20. Lebensjahr in Erscheinung treten“, erklärt Dr. Rita Schmutzler.
Genetischer Krebs: Wie häufig kommt er vor?
Es werden etwa fünf bis zehn Prozent aller Krebsfälle mit erblichen Veränderungen diagnostiziert. Heißt: Nur fünf bis zehn von 100 Betroffenen tragen nachweislich ein mutiertes Krebs-Gen in sich. Die Zahl schwankt je nach Krebsart. Dr. Rita Schmutzler: „Mutationen in den sogenannten Hochrisiko-Genen für Brustkrebs, wie BRCA1 und BRCA2, erhöhen das Erkrankungsrisiko auf bis zu 70 Prozent im Vergleich zu rund zwölf Prozent in der Allgemeinbevölkerung.“ Diese Mutationen sind allerdings selten, der Anteil an genetisch bedingtem Krebs bei Brustkrebserkrankungen liegt statistisch ebenfalls bei nur rund fünf Prozent.
Wird immer dieselbe Krebsart vererbt?
Eine vererbte Genmutation kann das Risiko für bestimmte Krebsarten erhöhen, aber nicht zwingend dieselbe Krebsart hervorrufen. Beispielsweise können Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen nicht nur Brustkrebs, sondern auch Eierstockkrebs begünstigen und bei Männern Prostatakrebs.
Erkranken Betroffene auf jeden Fall? Können auch Generationen übersprungen werden?
„Eine Mutation in einem Krebs-Gen wird in der Regel an 50 Prozent der Nachkommen vererbt“, verdeutlicht Dr. Rita Schmutzler. Dies kann durch eine genetische Untersuchung geklärt werden. Wird die Mutation ausgeschlossen, verbleibt nur das deutlich niedrigere Risiko der Allgemeinbevölkerung. Wird die Mutation nachgewiesen, dann besteht das erhöhte Risiko, wobei auch dann noch nicht jeder Mutationsträger erkranken muss. Hierbei spielen auch der eigene Lebensstil und Umweltbedingungen eine Rolle, die ebenfalls beeinflussen, ob und wann Krebs ausbricht.
Häufige Krebserkrankungen in der Familie: Liegt eine genetische Veranlagung vor?
Falls mehrere nahe Verwandte an derselben Krebsart erkrankt sind, kann eine genetische Veranlagung vorliegen. Zusätzliche Anzeichen können Krebserkrankungen im jungen Alter – 50 Jahre oder jünger – sowie seltene Krebsarten wie Brustkrebs beim Mann sein. Eine Eigendiagnose aber ist bei der Sorge, dass der Krebs vererbbar ist, nicht sinnvoll. Stattdessen helfen eine ärztliche Beratung und genetische Untersuchung auf eine mögliche Krebsbelastung dabei, das persönliche Risiko besser einzuschätzen.
Wie gehe ich bei Verdacht auf genetischen Krebs vor? Welche Untersuchungen gibt es? An wen kann ich mich wenden?
Erster Ansprechpartner ist der Haus- oder Facharzt. Dieser leitet häufig an zertifizierte Zentren für spezielle Krebsarten weiter. „Dort erfassen wir über den Stammbaum, ob eine Häufung von Krebs in der Familie vorliegt und ob sich der Verdacht auf eine genetische Veranlagung erhärtet“, sagt die Expertin. Auch Fachärzte für Humangenetik bieten Beratungen an und können genetische Untersuchungen von Krebs mittels Gendiagnostik durchführen. „Bei einer nachgewiesenen Veranlagung werden spezifische Maßnahmen empfohlen, um Krebs vorzubeugen und frühzeitig zu erkennen“, ergänzt Dr. Rita Schmutzler.
Früherkennungen wie das Mammografie-Screening bei Brustkrebs, das in Deutschland ab 50 Jahren empfohlen wird, kommt hier zu spät. Dementsprechend startet die Früherkennung bei Betroffenen schon weitaus früher und in kürzeren Abständen. Ferner kommen Zusatzuntersuchungen wie die Kernspintomografie hinzu, die bei jüngeren Frauen genauer ist als die Mammografie. Auch auf einen risikoarmen Lebensstil ohne Rauchen und Alkohol, dafür mit regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung gilt es dann zu achten.
Welche Leistungen bietet die Heimat Krankenkasse an?
In Zusammenarbeit mit spezialisierten Zentren für Familiären Brust- und Eierstockkrebs bietet die Heimat Krankenkasse deshalb eine gezielte Gendiagnostik an. Dazu wird eine Blutprobe entnommen, die im Rahmen einer genetischen Untersuchung von Krebs auf spezifische Genveränderungen geprüft wird. Unter die Lupe genommen werden vor allem die am häufigsten mutierten BRCA1- und BRCA2-Gene, die bei Mutation das Risiko erhöhen, dass Brust- oder Eierstockkrebs vererbbar ist. Aber es werden auch alle anderen bisher bekannten Risikogene mit untersucht.
Welche Vor- und Nachteile hat die Gendiagnostik, die von der Heimat Krankenkasse abgedeckt wird?
Ein Gentest auf Krebs kann erleichternd sein, wenn er negativ ist. Sollte er positiv sein, kann das Krebsrisiko durch eine gezielte Vorsorge, präventive Maßnahmen und regelmäßige Früherkennungen deutlich reduziert werden bzw. kann der Krebs in einem deutlich früheren und damit besser heilbaren Stadium diagnostiziert werden. Das gibt Betroffenen mehr Sicherheit im Umgang mit ihrer genetischen Veranlagung.
Gleichzeitig kann ein positiver Befund psychisch aber auch belastend wirken – denn der Gentest auf Krebs bestätigt keine Erkrankung, sondern nur ein erhöhtes Risiko, dass Krebs vererbbar ist. „Unsere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass das konkrete Wissen um die Risiken und die Möglichkeiten, dagegen etwas zu tun, die Menschen mehr beruhigt als die Unkenntnis darüber“, sagt Dr. Rita Schmutzler. Ein positiver Gentest auf Krebs gibt keine Auskunft darüber, ob und wann der Krebs tatsächlich ausbrechen wird. Zudem gilt es, Geduld zu bewahren nach einem Gentest: Wartezeiten von mehreren Wochen sind nicht ungewöhnlich, da der Bedarf hoch ist.
Wichtig ist in jedem Fall, dass die Betroffene nach der Beratung zum Gentest eine eigene informierte Entscheidung darüber treffen, ob sie den Gentest wünschen oder nicht. Das Recht auf Nichtwissen ist ein hohes Gut, welches auch im deutschen Gendiagnostikgesetz abgebildet ist. „Ist man sich noch unsicher, dann ist eine Wartezeit anzuraten, die in jeder guten Beratung angeboten wird“, betont die Medizinerin. „Denn die Entscheidung, ob man mit dem Ergebnis eines Gentests auf Krebs leben kann, sollte wohlüberlegt sein.“
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